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Folliculitis decalvans: Januskinase-Hemmer geben Betroffenen neue Hoffnung

Die Folliculitis decalvans ist eine extrem belastende, entzündliche Kopfhauterkrankung, die die Haarfollikel irreversibel zerstört und narbig abheilen lässt. Die Erkrankung verläuft über einen sehr langen Zeitraum, ist schmerzhaft und oft therapieresistent. Die Entzündung entsteht vermutlich als Reaktion auf eine bakterielle Infektion der Haarfollikel. Schlägt die Behandlung mit antibakteriellen und entzündungshemmenden Wirkstoffen nicht an, können zukünftig Januskinase-Hemmer ein Ausweg sein.
Ein Fachbeitrag von
Freie Redakteurin und Wissenschaftsautorin
Abbildung 1: Klinisches Bild der Folliculitis decalvans. Im zentralen Kopfhautbereich befinden sich Bereiche ohne Haare; auch die ursprünglichen Follikelöffnungen sind verschwunden. Im Randbereich der betroffenen Hautbereiche zeigen sich unscharf begrenzte Rötungen (Erytheme) sowie im Bereich der Haarwurzeln Pusteln und Schuppenkrusten.

Zu den hartnäckigsten Kopfhauterkrankungen gehört die Folliculitis decalvans. Es handelt sich dabei um eine chronische Haarwurzelentzündung (Folliculitis), die sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten kann. Durch die chronische Entzündung werden die Haarwurzeln (Follikel) vollständig zerstört, so dass das Haar ausfällt und eine Narbe zurückbleibt. Im Unterschied zu häufigeren Formen des Haarausfalls wie die androgenetische Alopezie oder der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata), die theoretisch reversibel sind, können einmal ausgefallene Haare bei der Folliculitis decalvans nicht mehr nachwachsen.

 

Chronische Entzündung durch überschießende Immunantwort

Haare haben neben ihrer Schutzfunktion vor äußeren Einflüssen eine große soziale Signalwirkung. Volles Haar gilt als Zeichen von Schönheit, Jugend und Gesundheit – Haarverlust ist folglich für die Betroffenen oft eine große Belastung. Hinzu kommen die unangenehmen Symptome der Haarfollikelentzündung, vor allem Juckreiz und Brennen sowie das Auftreten von Pusteln, die beim Abheilen störende Krusten bilden (Abbildung 1). Die chronische Entzündung wird durch Staphylokokken ausgelöst, also Bakterien, die zur normalen Hautflora gehören, sich aber unter bestimmten Bedingungen zu stark vermehren und dann Krankheiten auslösen können. Dringen die Bakterien in den Haarfollikel ein, kann das Immunsystem darauf mit einer überschießenden Antwort reagieren – einer Entzündung, die mit der Zeit chronisch werden kann.

 

Die Bakterienlast senken

Staphylokokken sind dafür bekannt, dass sie sogenannte Superantigene produzieren, mit denen sie auf unspezifische Weise bestimmte Abwehrzellen, die T-Lymphozyten, sehr stark aktivieren können. Diese richten dann ihre zerstörerische Aktivität nicht nur gegen die Bakterien, sondern auch gegen die Haarfollikel. Aus diesem Grund ist der erste Schritt einer Behandlung, die Bakterienlast zu senken. Dazu eignet sich die regelmäßige Anwendung von keimvermindernden Shampoos. Zusätzlich können systemische Antibiotikatherapien bevorzugt mit einer Kombination aus Clindamycin und Rifampicin zu einer Verbesserung der Symptome führen. Allerdings sind Rückfälle häufig. Ein besonderes Problem sind hier Büschel- oder Pinselhaare, bei denen mehrere Haare aus einer Hautöffnung auswachsen. Sie entstehen vor allem an den Rändern der vernarbten Stellen und dienen dort als Eintrittspforten für Staphylokokken. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, Büschelhaare operativ aus der Kopfhaut zu entfernen.

 

In die Entzündungsantwort eingreifen

Da bei vielen Betroffenen die gängigen Behandlungsmethoden nur schlecht oder überhaupt nicht ansprechen, sind Mediziner immer auf der Suche nach neuen Behandlungsoptionen. Eine davon könnte die Gabe von oralen Januskinasen-Hemmern sein. Januskinasen (JAK) sind Bestandteil von entzündungsfördernden Signalwegen in Immunzellen; sie werden deshalb auch für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Zur Behandlung der Folliculitis decalvans wurde beispielsweise der JAK-Hemmer Tofacitinib bereits erfolgreich eingesetzt. Nun haben australische Ärzte über die erfolgreiche Behandlung von vier Patienten mit dem JAK-Hemmer Baricitinib berichtet. Dabei handelt es sich um zwei Männer und zwei Frauen im Alter von 32 bis 67 Jahren, die alle seit mehreren Jahren an einer Folliculitis decalvans gelitten hatten und zuvor mit verschiedenen Methoden dagegen behandelt worden waren.

In die Fallstudie eingeschlossene Patienten

GeschlechtAlter (Jahre)Dauer der ErkrankungTägliche Dosis Baricitinib (mg)Behandlungsdauer (Monate)
Männlich5083,413
Männlich6756,812
Weiblich33173,45
Weiblich32106,815

 

Vier erfolgreiche Fallstudien

Der eine der beiden Männer, der zu Beginn der Fallstudie bereits acht Jahre erkrankt gewesen war, erhielt 13 Monate lang 3,4 mg Baricitinib täglich. Parallel dazu wurde die antientzündliche und antibakterielle Behandlung fortgesetzt. Nach drei Monaten gingen die Symptome zurück, und dieser Zustand konnte bis zum Ende der Behandlung aufrechterhalten werden. Der JAK-Hemmer wurde insgesamt gut ertragen; als Nebenwirkung wurden lediglich leicht erhöhte Cholesterinwerte festgestellt. Der zweite behandelte Mann litt seit fünf Jahren an einer schweren Form der Folliculitis decalvans. Die anfängliche Dosis von 3,4 mg Baricitinib täglich wurde nach einem Monat verdoppelt. Nach drei Monaten verbesserten sich Hautzustand und Haardichte.

Bei einer 33jährigen Frau, die bereits seit 17 Jahren an einer hartnäckigen Folliculitis decalvans litt, ließ sich durch die tägliche Gabe von 3,4 mg Baricitinib in Kombination mit einem antibakteriellen Clindamycin-Shampoo und einem antientzündlichen Kortikosteroid nach zwei Monaten eine Verbesserung erzielen. Bei einer weiteren Frau mit zehnjähriger Erkrankungsdauer war dagegen die doppelte Wirkstoffdosis notwendig, um zufriedenstellende Resultate zu erzielen. Bei ihr traten Nebenwirkungen in Form von Akne im Gesicht und Rücken auf.

 

Weitere Studien sind nötig

Über die genaue Wirkung von Baricitinib kann bislang nur spekuliert werden. Der Wirkstoff hemmt selektiv und reversibel die Januskinasen JAK1 und JAK2 und wird zur Behandlung des kreisrunden Haarausfalls (Alopecia areata), einer Autoimmunerkrankung, eingesetzt. In der durch die chronische Haarfollikelentzündung betroffenen Kopfhaut finden sich im Unterschied zu gesunder Haut erhöhte Konzentrationen des entzündungsfördernden Botenstoffs Interferon-γ. Da der Botenstoff über die Januskinasen 1 und 2 wirkt, könnte Baricitinib diesen Signalweg stören und so die Entzündungsantwort unterbrechen.

Obwohl die Aussagekraft der Studie aufgrund der geringen Fallzahl und der Tatsache, dass alle Patienten zusätzlich zu Baricitinib weitere Medikamente erhalten hatten, gering ist, zeichnet sich ab, dass der JAK-Hemmer bald als neue Therapieoption für die belastende Folliculitis decalvans zur Verfügung stehen könnte.


Quellen und weiterführende Literatur

H. Wolff, T. W. Fischer, U. Blume-Peytavi (2016). Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. Deutsches Ärzteblatt 113, 377-386.
L. Asfour et al. (2022). Successful treatment of folliculitis decalvans with baricitinib: A case series. Australas. J. Dermatol. 63, 279-281.

Letzte Aktualisierung: 31. Juli 2023

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