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genetisch bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie)

Die androgenetische Alopezie ist die häufigste Form des Haarausfalls und ist gekennzeichnet durch einen chronisch fortschreitenden Verlust der Haardichte. Sie ist erblich, hormonell bedingt, weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen und nimmt mit steigendem Lebensalter zu.

Ein Fachbeitrag von
Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Allergologie
genetisch bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie)

Zusammenfassung

Die androgenetische Alopezie ist die häufigste Form des Haarausfalls und ist gekennzeichnet durch einen chronisch fortschreitenden Verlust der Haardichte. Sie ist erblich, hormonell bedingt, weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen und nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Betroffen sind hauptsächlich Männer sowie Frauen nach den Wechseljahren.

Auf einen Blick

+ Auftreten vorwiegend Männer sowie Frauen nach den Wechseljahren

+ Symptome abnehmende Haardichte, später Auftreten von kahlen Stellen, häufig starke psychische Belastung der Betroffenen

+ Einflussfaktoren erblich-hormonell bedingt

+ Ansteckungsgefahr keine

genetisch bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie)

Einführung

Die androgenetische Alopezie (Alopecia androgenetica, AGA) ist eine erblich bedingte Form des Haarausfalls, die sowohl Männer als auch Frauen betreffen kann. Sie ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Empfindlichkeit des Haarfollikels gegenüber männlichen Geschlechtshormonen (Androgenen). Mit einem ungefähren Anteil von 95% ist die androgenetische Alopezie der häufigste Grund für Haarausfall. Die AGA nimmt mit steigendem Lebensalter zu, wobei sie jedoch vor allem bei Männern auch bereits mit der Pubertät auftreten kann. Der Haarausfall betrifft nur den Kopf, folgt einem typischen Manifestationsmuster, das sich bei Männern und Frauen unterscheidet, und führt zu einer chronisch fortschreitenden Verringerung der Haardichte. Bei Frauen wird zwischen Fällen ohne und mit hormoneller Fehlsteuerung (Dysregulation) unterschieden, wobei letztere aus einem Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen resultiert. Obwohl die androgenetische Alopezie nicht gesundheitsgefährdend ist, geht sie oft mit negativen Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die Lebensqualität der Betroffenen einher. Aus diesem Grund kann eine medikamentöse Behandlung angebracht sein.

Ursachen und Auslöser

Bei der androgenetischen Alopezie kommt es zu einer Verkürzung der Wachstumsphase des Haares und damit zu einer Verminderung der Haarschaftdicke. Dieser als Miniaturisierung bezeichnete Prozess wandelt die dicken Terminalhaare des Kopfes in dünne Flaumhaare (Vellushaare) um, wie sie den ganzen Körper bedecken. Am Ende dieses Prozesses wird das Haarwachstum vollständig eingestellt. Gesunde Kopfhaare wachsen kontinuierlich für mehrere Jahre, bevor der Haarfollikel in eine mehrmonatige Ruhephase (Telogen) eintritt. Beim Wiedereintritt in die Wachstumsphase (Anagen) bildet sich ein neuer Haarschaft, wobei der alte ausfällt. Der Verlust von 50-100 Haaren am Tag ist somit völlig normal.
Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der androgenetischen Alopezie spielen männliche Geschlechtshormone (Androgene). Männer mit androgenetischem Haarausfall haben zwar normale Androgenspiegel, aber spezielle Zellen im Haarfollikel, die das Wachstum des Haares steuern, reagieren bei ihnen empfindlicher auf Dihydrotestosteron.

[accordion][accordion_item title=“derma.plus Expertenwissen: Dihydrotestosteron“]Dihydrotestosteron wird durch enzymatische Umwandlung aus Testosteron gebildet und ist die biologisch aktivste Form des männlichen Geschlechtshormons. [/accordion_item][/accordion]

Die gesteigerte Empfindlichkeit hängt mit der Menge an gebildeten Androgenrezeptoren (=Strukturen der Zelle, an denen das Hormon binden und wirken kann) auf der Oberfläche bestimmter Zellen zusammen. Die Menge dieser Rezeptoren ist genetisch festgelegt, was die Erblichkeit dieser Form des Haarausfalls erklärt. Die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron wird durch das Enzym 5α-Reduktase bewerkstelligt, dessen Aktivität ebenfalls genetisch bedingt variieren kann. Die Aktivität der 5α-Reduktase ist vor allem in der Dermalpapille des Haarfollikels nachweisbar, in der die Steuerungszellen für das Haarwachstum liegen und die somit das primäre Zielorgan für die Wirkung von Dihydrotestosteron darstellt.

Typisch, aber nicht zwingend für die androgenetische Alopezie ist eine familiäre Häufung in der Verwandtschaft betroffener Männern und Frauen. Bei der männlichen Form des androgenetischen Haarausfalls geht man von einer Erblichkeit von über 80% aus, wobei mehrere Gene beteiligt zu sein scheinen. Für die weibliche Form liegen entsprechende Daten bisher nicht vor. Auch zur Rolle der männlichen Geschlechtshormone bei Frauen mit androgenetischer Alopezie ohne hormonelle Dysregulation ist bisher wenig bekannt.

 

Symptome und Krankheitsverlauf

Bei Männern beginnt der Haarausfall typischerweise mit dem Zurücktreten der Stirn-Haar-Grenze an den Schläfen, wodurch „Geheimratsecken“ entstehen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer zunehmenden Haarlichtung in der Scheitelregion auf dem Hinterkopf (Tonsurbereich). Dieses Muster entspricht der im europäischen Raum üblichen Norwood-Hamilton-Klassifikation. Allerdings können Männer auch ein Manifestationsmuster mit diffuser Ausdünnung der Haare auf dem Oberkopf ausbilden, das ansonsten eher typisch für den Haarausfall bei Frauen ist.
Bei Frauen sind drei verschiedene Manifestationsmuster zu unterscheiden. Am häufigsten kommt es zu einem diffusen Ausdünnen der Haare auf dem Oberkopf (Klassifikation nach Ludwig), andere Manifestationen zeigen eine breitbasige Ausdünnung in der vorderen Scheitelregion, die nach hinten spitz zuläuft, so dass sich ein Tannenbaumuster bildet (Klassifikation nach Olsen) oder eine Ausbildung von Geheimratsecken wie beim männlichen Erkrankungsbild (Klassifikation nach Norwood-Hamilton). Der Beginn und das Ausmaß des Haarausfalls unterscheiden sich individuell sehr stark, doch in der Regel schreitet der Haarverlust kontinuierlich fort. Bei Frauen wird ein Frühtyp mit Beginn in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter vom häufiger auftretenden Spättyp mit Beginn während und nach den Wechseljahren unterschieden. So weisen im Alter von 30 Jahren etwa 12% der Frauen androgenetischen Haarausfall auf, im Alter von 70 Jahren dann bereits 30-40% der Frauen.

Androgenetische Alopezie Haarausfall
Androgenetische Alopezie Haarausfall
Androgenetische Alopezie. Typische „Geheimratseckenbildung“ beim Mann.
Androgenetische Alopezie Haarausfall
Androgenetische Alopezie. Beginnende Lichtung im Scheitelbereich beim Mann.
Androgenetische Alopezie Haarausfall
Androgenetische Alopezie. Ausgeprägtere haarfreie Areale im Scheitelbereich bei der Frau.
Androgenetische Alopezie Haarausfall
Abb. 5: Androgenetische Alopezie. Ausgeprägtere haarfreie Areale im Scheitelbereich bei der Frau.
androgenetische alopezie
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Diagnose und Differentialdiagnose

Zur Diagnosestellung erfasst der Arzt in der Anamnese alle medizinisch relevanten Informationen, wobei aufgrund der erblichen Komponente der androgenetischen Alopezie auch Krankheitsfälle bei nahen Verwandten abgefragt werden. Vor allem, wenn in der Familie keine Fälle von androgenetischer Alopezie bekannt sind, richtet sich das Augenmerk auch auf die Abwägung anderer Haarerkrankungen und der Möglichkeit eines medikamenteninduzierten Haarausfalls beispielsweise durch Präparate mit pro- oder antiandrogener Wirkung wie Anabolika, Antiepileptika, β-Blocker und Zytostatika.
Bei Kindern und Jugendlichen wird ein angeborener von einem erworbenen Haarausfall unterschieden, wobei auch Anzeichen einer verfrüht einsetzenden Pubertät erfasst werden müssen. Zeigen sich bei Kindern bereits vor dem Einsetzen der Pubertät Zeichen eines androgenetischen Haarausfalls, sollten die Betroffenen an einen auf Kinder spezialisierten Endokrinologen überwiesen und dort eine Abklärung des Hormonstatus veranlasst werden.
Die wichtigsten Techniken zur Diagnose des androgenetischen Haarausfalls umfassen den Zupftest, eine Untersuchung des Haare und der Kopfhaut mit der Lupe oder einem Auflichtmikroskop (Dermatoskop) und die Erstellung eines Phototrichogramms. Hierbei wird der Anteil der wachsenden Haare in einem bestimmten Areal bestimmt. Nur in Ausnahmefällen müssen Haare mit der Wurzel gezogen und untersucht werden (Trichogramm) oder eine Biopsie der Kopfhaut durchgeführt werden.

Ist der klinische Befund eindeutig und gibt es keinen Verdacht auf weitere Erkrankungen, müssen bei Männern keine Laboruntersuchungen durchführt werden. Bei Frauen sind je nach Anamnese und Ergebnis der klinischen Untersuchung verschiedene Laboruntersuchungen zur differentialdiagnostischen Abklärung sinnvoll. Zum Ausschluss von diffusem Effluvium und diffuser Alopecia areata, zweier nicht erblicher und von der Wirkung männlicher Geschlechtshormone unabhängiger Formen von Haarausfall, kann eine Untersuchung der Schilddrüsenfunktion, des Eisenstoffwechsels sowie des Zucker- und Fettstoffwechsels sinnvoll sein. Bei Hinweisen auf hormonelle Dysregulation werden bei Frauen der freie Androgenindex (FAI) sowie die Menge der Hormone 17-OH-Progesteron und Prolaktin bestimmt.

Therapie und Behandlung

Das Ziel aktueller Therapien ist, den Haarausfall zu stoppen, den Miniaturisierungsprozess umzukehren und das Wiederwachstum der Haare zu fördern. Dazu werden Haarfollikel, die sich in der Ruhephase befinden, zum Wiedereintritt in die Wachstumsphase angeregt und gleichzeitig der Eintritt von wachsenden Haaren in die Ruhephase verzögert. Zur Verlaufskontrolle der Therapie können standardisierte Übersichtsphotographien in regelmäßigen, meist sechsmonatigen Abständen erstellt werden.
Für einen Erfolg der Therapie ist die Akzeptanz durch den Patienten sowie seine Therapietreue von großer Bedeutung. Die Wahl des Therapeutikums sollte deshalb immer zusammen mit dem Patienten unter den Aspekten der Praktikabilität und der Kosten, die in der Regel von diesem selbst getragen werden müssen, abgestimmt werden.
Die Behandlung kann entweder topisch, also äußerlich im Kopfbereich, oder systemisch über oral einzunehmende Präparate erfolgen. Derzeit sind zwei pharmakologische Behandlungsverfahren durch Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der Behandlung der androgenetischen Alopezie gut untersucht und auch wirksam: die äußerliche Anwendung von Minoxidil, die Frauen und Männer durchführen können, und die systemische Therapie mit Finasterid, die für Männer, nicht für Frauen offiziell zugelassen ist. (s. Tabelle 1).
Beide Substanzen stimulieren das Wiederwachstum der Haare, sofern noch keine Kahlheit besteht, und sind relativ gut verträglich. Allerdings müssen sie kontinuierlich und dauerhaft angewendet werden, um zum Erfolg zu führen. Minoxidil und Finasterid haben den höchsten Wirksamkeitsnachweis (Evidenzlevel 1), den andere Wirkstoffe nicht erreichen (Tabelle 1).

 

Androgenetische Alopezie – Äußerliche Behandlung

Nach aktueller Studienlage besteht die beste Wirksamkeit bei einer Lokaltherapie mit Minoxidil (z.B. Minoxidil Bio-H-Tin), dessen wirksames Stoffwechselprodukt Minoxidilsulfat vermutlich zu einer verbesserten Durchblutung führt, wobei der genaue Wirkmechanismus jedoch noch nicht bekannt ist. Das Produkt ist frei verkäuflich und kann sowohl ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern als auch zu einer Zunahme von Haardichte und Haardicke führen.
Empfohlen wird die zweimal tägliche Anwendung von Minoxidil und zwar für Frauen in Form der 2%ige Lösung (z.B. Minoxidil Bio-H-Tin® 20mg/ml) und bei Männern als 5%ige Lösung (z.B. Bio-H-Tin 50mg/ml). Für Männer steht auch eine weitere galenische Anwendungsoption in Form der Schaumzubereitung zur Verfügung (Regine® Männer 5% Schaum). In Absprache mit dem Arzt können Frauen auch einmal täglich die 5%ige Männerzubereitung als Lösung oder Schaum verwenden, was den Vorteil der nur einmal täglichen Anwendung hat. Die Wirkung von Minoxidil setzt frühestens nach sechsmonatiger, konsequenter Anwendung ein. Zu beachten ist, dass es häufig nach 4 bis 8 Wochen zu einem verstärkten Haarausfall, dem sogenannten „shedding“, kommt. Ursächlich hierfür ist, dass mit Eintreten der Haarfollikel in den neuen Wachstumszyklus die alten Haare ausfallen.
Bei einer Beendigung der Therapie kommt es nach acht bis 12 Wochen erneut zu einem verstärkten Haarausfall mit dem Verlust der vorab dazu gewonnenen Haare.
Die Anwendung von Minoxidil kann zu Unverträglichkeitsreaktionen mit Schuppung und Juckreiz führen, in seltenen Fällen auch zu einer allergischen Kontaktdermatitis. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Medikament nicht angewendet werden.

 

Weitere topisch eingesetzte Wirkstoffe

Ebenfalls äußerlich eingesetzt wird der frei verkäufliche Wirkstoff Alfatradiol (auch 17-Östradiol; Ell-Cranell® gegen Haarausfall), der strukturell mit dem weiblichen Geschlechtshormon 17-Östradiol verwandt ist, selbst aber so gut wie keine östrogene Wirkung aufweist. Alfatradiol hemmt die Aktivität der 5α-Reduktase, die Testosteron in Dihydrotestosteron umwandelt, und kann sowohl bei Männern als auch bei Frauen eingesetzt werden.
Die Lösung wird in der Regel einmal am Tag aufgetragen, als Nebenwirkungen können Juckreiz sowie ein Brennen oder eine Rötung der Kopfhaut auftreten. Während Schwangerschaft und Stillzeit ist die Verwendung nicht möglich. Der Wirkstoff soll bei einer leichten Form der androgenetischen Alopezie den Anteil der Haare in der Wachstumsphase erhöhen, doch ist die Wirksamkeit von Alfatradiol zur Behandlung der androgenetischen Alopezie noch nicht sicher belegt. Zumindest scheint die Substanz jedoch das Fortschreiten des Haarausfalls zu verhindern.

 

Behandlung von Nebenwirkungen unter topischer Therapie

Ein Problem bei der äußeren Langzeitanwendung der Medikamente ist die verstärkte Austrocknung der Kopfhaut. Diese kann durch die gelegentliche Anwendung die Kopfhaut pflegender Präparate entgegengewirkt werden, wobei die benevi® neutral Kopf-Lotion mit Glycerin und Panthenol sehr gut geeignet ist. Haarwurzel­entzündungen, wie sie unter topischer Hormontherapie auftreten können, sollten antiseptisch behandelt werden mit z.B. Linola® sept Creme mit dem Wirkstoff Clioquinol, wobei die Creme übernacht appliziert und am morgen ausgewaschen wird.

 

Androgenetische Alopezie – Systemische Therapie

Finasterid hemmt ebenfalls die Aktivität der 5α-Reduktase und ist seit 1998 zur systemischen Behandlung von Männern mit androgenetischer Alopezie in einer Dosierung von 1 mg täglich zugelassen (z.B. Finaristo® 1mg Filmtabletten). Klinische Studien belegen, dass die durch Finasterid herbeigeführte Senkung des Dihydrotestosteronspiegels ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern und eine Stimulation des Haarwachstums erzielen kann. Bei Männern im Alter von über 45 Jahren sollte vorab eine urologische Untersuchung durchgeführt werden, da 5α-Reduktasehemmer die Größenzunahme der Prostata beeinflussen, und die Menge an prostataspezifischem Antigen (PSA) reduzieren können, was möglicherweise die Früherkennung von Prostatakrebs verzögert. Finasterid ist relativ gut verträglich, doch kommt es in 2% der Fälle zu einem Verlust der Libido und erektiler Dysfunktion. Auch waren unter der Gabe von Finasterid Veränderungen im Spermiogramm nachweisbar, die sich jedoch nach dem Absetzen des Medikaments normalisierten. Ein Einfluss auf die Fruchtbarkeit und das Auftreten von Brustkrebs bei Männern ist nicht belegt.
Für die Behandlung der androgenetischen Alopezie bei Frauen ist Finasterid nicht zugelassen. Der Einsatz mit einer Dosierung von 2 bis 5 mg täglich scheint jedoch einen gewissen Erfolg zu haben, weshalb eine zulassungsüberschreitende Verordnung „off-label“ erfolgen kann, doch sollte diese bei Frauen im gebärfähigen Alter nur nach gründlicher Abwägung geschehen. Aufgrund des Fehlbildungsrisikos für männliche Föten muss die Therapie zudem mit einer sicheren Verhütung kombiniert werden. Während Schwangerschaft und Stillzeit darf das Medikament nicht angewendet werden, aber die Verwendung durch den männlichen Partner scheint kein Risiko für den Fötus darzustellen.
Als Off-Label-Alternative existiert der 5α-Reduktase-Hemmer Dutasterid. Direkte Vergleichsstudien mit Finasterid fehlen bisher, doch scheinen höhere Dosierungen nötig zu sein, um ein vergleichbares Resultat zu erreichen.

 

Topische vs. systemische Therapie

Ein Vorteil der systemischen im Vergleich zur äußerlichen Therapie ist die von vielen Patienten als praktischer empfundene einmal tägliche Einnahme einer Tablette im Vergleich zur zweimal täglichen Anwendung der Minoxidil-Lösung mit ihrem Irritationspotenzial und dem Risiko einer Kontaktdermatitis. Dagegen fürchten viele Patienten einen Verlust der Libido und erektile Dysfunktion als Nebenwirkung der Therapie mit Finasterid.

 

Hormonbehandlung

Aufgrund der Empfindlichkeit der Steuerungszellen im Haarfollikel für männliche Geschlechtshormone als Ursache der androgenetischen Alopezie, scheint ein medikamentöser Eingriff in den Hormonhaushalt vielversprechend. Hierzu verwendet werden weibliche Geschlechtshormone (Östrogene, Progesteron) oder Antiandrogene, die den männlichen Geschlechtshormonen entgegen wirken. Allerdings gibt es bei Frauen ohne hormonelle Dysfunktion bisher keinen Hinweis darauf, dass sich äußerlich über die Haut oder systemisch verabreichte Hormone zur Behandlung der androgenetischen Alopezie eignen. Bei Frauen mit nachgewiesenem Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen (Hyperandrogenämie) ist ein begrenzter Effekt des antiandrogen wirkenden Cyproteronacetats auf die Haardichte und die durch die Verschiebung im Hormonhaushalt verursachten Zyklusstörungen nachweisbar. Dieser systemische Ansatz wird in der Regel mit dem topischen Einsatz von Minoxidil kombiniert. Wichtig ist auch hier die Verwendung einer sicheren Verhütung, da es unter der Therapie zu einer Verweiblichung männlicher Föten kommen kann. Alternativen zu Cyproteronacetat sind Spironolacton und Flutamid. Die orale Gabe von Spironolacton mit 100-200 mg pro Tag wird zur Behandlung von Frauen mit Hyperandrogenämie eingesetzt, wobei Elektrolytstörungen und verstärkte Menstruationsbeschwerden auftreten können. Der Einsatz von oralem Flutamid erzielte zwar bei Frauen mit Haarausfall und nachgewiesenem Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen eine Besserung der Beschwerden bei einer täglichen Dosis von 250 mg, wird jedoch aufgrund der Gefahr von lebensbedrohlichen Leberschäden nicht mehr für die Therapie von Haarausfall empfohlen. Für Männer ist keine hormonelle Behandlung der androgenetischen Alopezie ausgewiesen.

 

Lasertherapie

Eine regelmäßige Behandlung mit einem Haarmatrixlaser (HairMaxLaser Comb), der mit mittlerer oder niedriger Energie im Bereich von 655nm arbeitet, konnte in retrospektiven kontrollierten Studien einen Anstieg der Haarzahl erreichen und kann ausschließlich oder zusätzlich zu medikamentösen Behandlungen eingesetzt werden.

 

Chirurgische Behandlung

Die Transplantation von Eigenhaar ist bei Männern heute ein Standardverfahren. Verwendet werden follikuläre Einheiten, in denen mehrere Haarfollikel auf der Kopfhaut zusammen gefasst sind. Diese stammen aus einem Areal, in dem die Haarfollikel unempfindlich gegenüber dem Einfluss von Dihydrotestosteron sind, vorzugsweise vom Hinterkopf. Durch die Haartransplantation lassen sich Areale mit reduzierter Haardichte auffüllen und kahle Kopfhautareale verkleinern. In der Regel sind mehrere Eingriffe nötig und das Resultat wird erst nach fünf bis sechs Monaten sichtbar. Zudem sind Nebenwirkungen in Form von Hautrötungen, Krustenbildung und Ödemen sowie in seltenen Fällen Infektionen, Blutungen und Narbenbildung möglich. Die Kosten der Haartransplantation sind vergleichsweise hoch und müssen vom Patienten selbst getragen werden. Auf den Verlauf der androgenetischen Alopezie hat die Maßnahme keinen Einfluss, weshalb eine zusätzliche Therapie mit Finasterid sinnvoll ist.

 

Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Ansätze

Nahrungsergänzungsmittel mit Aminosäuren, Vitaminen, Spurenelementen wie Kupfer und Zink, Koffein und verschiedene Kräuterpräparate sowie Naturprodukte wie Hirsekorn, Aloe Vera, Hibiskus, Ginseng, Bergamotte und grüner Tee beeinflussen hauptsächlich die Haarqualität und Haarstruktur und weniger das Haarwachstum. Für die erwähnten Produkte sind in der Regel keine ausreichenden klinischen Studien verfügbar, die eine Wirksamkeit verlässlich belegen würden.
Mit Hilfe verschiedener kosmetischer Methoden können lichte Haarstellen bis zu einem gewissen Grad kaschiert werden. Hierzu zählen neben einem günstigen Haarschnitt Camouflage-Techniken (Theaterschminke, Streuhaare), Haarver­längerung und die Verwendung von Perücken und Toupets.

 

Tabelle: Auflistung der Wirkstoffe mit Anwendungsempfehlungen

WirkstoffMännerFrauenEvidenzlevel*Bemerkung
Minoxidil2x täglich,
2-5% Lösung
2x täglich,
2% Lösung
1Keine Anwendung während Schwangerschaft/Stillzeit! „Shedding“ zu Beginn der Therapie
Alfatradiol1x täglich Lösung1x täglich LösungWirksamkeit nicht eindeutig belegt
Finasterid1x täglich
1 Tablette
(1 mg)
Nur in Ausnahmefällen anzuwenden1Bei Frauen nur in Kombination mit sicherer Verhütung!
Dutasterid0,5 mg/Tag,
orale Gabe
Keine ErfahrungenFür die Behandlung der AGA nicht zugelassen
HormoneKeine AnwendungOrale Antiandrogene zur Behandlung von Patientinnen mit hormoneller Dysregulation 3Nur in Kombination mit sicherer Verhütung!
LasertherapieAllein oder in Kombination mit medikamentöser BehandlungNebenwirkungfreie, zuhause durchführbare Behandlung
HaartransplantationBehandlung in Kombination mit Finasterid4Ausreichend Spenderhaar muss zur Verfügung stehen
Kosmetische NaturprodukteKeine ausreichenden wissenschaftlichen Wirkungsnachweise
* belegte Wirksamkeit mit 1 = beste Wirksamkeit

Prävention und Vorbeugung

Aufgrund der erblichen Komponente ist es nicht möglich, das Entstehen der androgenetischen Alopezie durch prophylaktische Maßnahmen zu verhindern.

Therapieempfehlungen der derma.plus Experten

Neben Minoxidil und Finasterid ist ein Therapieversuch mit dem der chinesischen Heilkunde entstammenden 101HairTonic eine häufig sehr wirksame Therapiealternative. Die im Tonic gewählte Zusammensetzung der verschiedenen Heilkräuter ist in China studienmäßig gut belegt. Dieses Produkt kommt immer in Frage, wenn das therapeutische Ansprechen auf Minoxidil bzw. Finasterid ungenügend ist oder die Substanzen nicht vertragen werden bzw. aus anderen Gründen abgelehnt werden.
Der regelmäßige Einsatz einer Kopfhautmassage mittels einer Holzmassagebürste zur schonenden Massage und verbesserten Durchblutung der Kopfhaut ist sinnvoll.
Außerdem gibt es heute eine gute Studienlage zur Wirksamkeit der regelmäßigen Laserbehandlung zu Hause mit dem Hairmax Lasercomb.

 

Quellen und weiterführende Literatur


Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2020

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