Wasserhärte beeinflusst die atopische Dermatitis (Neurodermitis)
Fördert hartes Wasser die Entstehung der atopischen Dermatitis?
Ein Beitrag von Frau Dr. rer. nat. Larissa Tetsch
In Gegenden mit kalkreichem (hartem) Wasser erkranken statistisch gesehen mehr Kinder an atopischer Dermatitis (Neurodermitis). Eine britische Studie hat jetzt gezeigt, dass kalkreiches Wasser das Risiko, in der Kindheit eine atopische Dermatitis zu entwickeln, tatsächlich etwa dreifach erhöht – allerdings nur, wenn bereits eine genetisch bedingte Störung der Hautbarriere vorliegt.
Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine chronische, entzündliche Hautkrankheit, die oft bereits im Säuglingsalter auftritt. In der westlichen Welt sind rund 20 Prozent der Kinder betroffen – mit steigender Tendenz. Bei vielen Betroffenen liegt eine genetische Prädisposition für die Krankheit vor, vor allem der Verlust einer oder beider Kopien des Filaggrin-Gens. Filaggrin ist ein Eiweiß, das für eine gesunde Hautbarriere unerlässlich ist. Fehlt es, wird die Hautbarriere durchlässig, die Haut trocknet aus und wird rissig, wodurch schädliche Substanzen in tiefere Hautschichten eindringen und dort Entzündungen verursachen können. Zusätzlich spielen bei der Entwicklung der atopischen Dermatitis jedoch auch Umweltfaktoren eine Rolle, die zum Ausbruch oder der Verschlechterung der Symptome beitragen, etwa Allergien gegen Pollen, Tierhaare oder Nahrungsmittel, Unverträglichkeiten von Pflegeprodukten oder Kälte. Ein weiterer Faktor, der in der Diskussion steht, ist die Wasserhärte: In Regionen mit hartem Leitungswasser zeigten Kindern in verschiedenen Studien ein erhöhtes Risiko, an einer atopischen Dermatitis zu erkranken.
Kalk beeinflusst das Hautmilieu
Leitungswasser wird als „hart“ bezeichnet, wenn die Menge an darin gelösten Mineralien einen bestimmten Wert überschreitet. Dabei geht es vor allem um Kalziumkarbonat (Kalk). Sehr hartes Wasser, bei dem die Kalziumkarbonatkonzentration einen Wert von 250 Milligramm pro Liter überschreitet, bildet Kalkablagerungen in Wasserleitungen und Küchengeräten sowie Kalkseifen (Kalziumstearat) auf der Haut und auf Textilien. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie kalkreiches Wasser die Haut strapazieren kann: Zum einen fördert es die Ablagerung von Detergenzien wie Natriumlaurylsulfat aus Reinigungsprodukten. Zum anderen erhöht Kalk den pH-Wert des Wassers und schwächt damit den Säureschutzmantel der Haut, der die Haut u.a. vor schädlichen Mikroorganismen schützt. Durch einen hohen pH-Wert können außerdem Proteasen aktiviert werden, die die Hautbarriere weiter schwächen. Erhöhte Kalziumkonzentration können darüber hinaus wichtige Kalzium-abhängige Signalwege in der Oberhaut aus dem Gleichgewicht bringen (Abbildung).
Um zu untersuchen, ob die Wasserhärte in der frühen Kindheit einen Einfluss auf die Entwicklung einer atopischen Dermatitis hat, beobachteten Mediziner aus London im Rahmen der EAT-Studie 1303 gesunde Säuglinge und Kleinkinder zwischen 3 und 36 Monaten. Die EAT-Studie untersucht, ob das frühe Einführen von Lebensmittelallergenen bei gleichzeitig gestillten Kindern einen vorbeugenden Einfluss auf die Entwicklung von Allergien ausübt. Sozusagen als Nebeneffekt der Studie dokumentierten die Wissenschaftler, ob und wann bei den Kindern ein atopisches Ekzem (Neurodermitis) auftrat und brachten dies in Zusammenhang mit der Wasserhärte in ihrem Wohngebiet. Außerdem wurde bei einem Großteil der Kinder untersucht, ob eine Schwächung der Hautbarriere vorlag. Dazu wurde eine Genanalyse durchgeführt, um zu untersuchen, ob intaktes Filaggrin gebildet werden kann.
Kalkreiches Wasser verschlechtert vorgeschädigte Hautbarriere
Im Alter von drei Monaten wiesen Säuglinge tatsächlich etwas häufiger atopische Ekzeme auf, wenn sie in Gegenden mit hartem Wasser lebten. Dieser Unterschied verschwand jedoch mit zunehmendem Alter. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Haut und ihre Barrierefunktion im Laufe der ersten Lebensjahre reift und immer weniger empfindlich gegenüber störende Einflüsse wie kalkreiches Wasser wird. Diese Erklärung passt gut zu einer weiteren Beobachtung der Studie, nach der die Wasserhärte sehr wohl auch bei älteren Kindern die Entwicklung der atopischen Dermatitis förderte, wenn die Kinder bereits Defekte in der Hautbarriere aufwiesen. So fehlte insgesamt 12 Prozent der untersuchten Kinder wenigstens eine Kopie des Filaggrin-Gens. Von den Betroffenen entwickelten 72 Prozent die typischen atopischen Ekzeme, während dies bei Kindern ohne den genetischen Defekt nur 42 Prozent waren. Wurden diese Daten zusätzlich mit der Wasserhärte in Verbindung gebracht, zeigte sich, dass das Krankheitsrisiko für Kinder mit Verlust einer Filaggrin-Genkopie tatsächlich fast dreimal so hoch war, wenn sie in einer Region mit hartem Wasser lebten. Offensichtlich trägt das kalkreiche Wasser also bei einer geschädigten Hautbarriere dazu bei, die Barrierefunktion weiter zu schwächen. Dies passt zu Ergebnissen von Waschexperimenten mit Erwachsenen mit und ohne Hautbarrieredefekt, bei denen sich die Barrierefunktion ebenfalls verschlechterte, wenn extrem kalkreiches Wasser verwendet wurde. Eine weitere Studie soll nun klären, ob die Installation von Wasserentkalkungsgeräten das Risiko, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, bei gefährdeten Kindern reduzieren kann.