Zusammenfassung
Haare sind ein charakteristisches Merkmal von Säugetieren mit vielfältigen Funktionen. Beim Menschen ist das Haarkleid reduziert und beschränkt sich weitgehend auf den Kopf. Die Haare bestehen aus Zellen der Oberhaut und wachsen zyklisch für mehrere Jahre, unterbrochen durch eine mehrmonatige Ruhephase. Dabei lagern sie Mineralstoffe aus Nahrung und Umwelt ein, was Drogenmissbrauch und Vergiftungen offenbaren kann.
Auf einen Blick
+ Steckbrief eines gesunden Kopfhaares:
+ Anzahl 90 000 – 150 000
+ Haardichte etwa 200/cm3
+ Haardurchmesser 0,04 mm (Vellushaar) – 0,12 mm (Terminalhaar)
+ Haarwachstum etwa 1 cm/pro Monat
Haare – Körperschmuck mit Schutzfunktion
Nur Säugetiere besitzen echte Haare aus Hornsubstanz (Keratin) im Gegensatz zu haarartigen Strukturen aus Chitin wie sie bei Insekten, Spinnen und Borstenwürmern vorkommen. Die Haare der Säugetiere erfüllen verschiedene Aufgaben wie den Schutz vor Sonnenlicht, Feuchtigkeit und Auskühlung des Körpers, Tarnung oder Signal- und Imponierfunktion sowie eine bessere Verbreitung von körpereigenen Duftstoffen. Beim Menschen ist das Haarkleid stark reduziert, doch haben Haare eine große kulturelle Bedeutung als Körperschmuck und einen nachweislichen Einfluss auf die Partnerwahl. Haare sind lange Hornfäden, die von Zellen der Oberhaut (Epidermis) gebildet werden und damit wie Nägel, aber auch Reptilienschuppen und Vogelfedern, zu den „Hautanhangsgebilden“ gehören. Ein erwachsener Mensch besitzt etwa 5 Millionen Haaranlagen, wobei sich ein Fünftel davon auf Kopf und Gesicht verteilen. Während der größte Teil der Haut mit dünnem Flaumhaar (Vellushaar) bedeckt ist, befinden sich die dicken, gut sichtbaren Terminalhaare hauptsächlich auf dem Kopf und nach der Pubertät auch im Achsel- und Schambereich. Nur die Handinnenflächen, Fußsohlen, Lippen sowie die Schleimhäute bleiben zeitlebens unbehaart.
Die Hauptsache ist unsichtbar
Das Haar oder Haarorgan besteht aus einem sichtbaren Teil und einem unter der Hautoberfläche befindlichen, nicht sichtbaren Teil (Abb. 1).
Abb.1 : Aufbau des menschlichen Haares. Das Haar besteht aus dem sichtbaren Haarschaft und der unter der Hautoberfläche befindlichen Haarwurzel, die von einer sackartigen Einfassung, dem Haarfollikel oder Haarbalg, umgeben ist. Letzterer besteht aus der zweischichtigen Haarwurzelscheide, die der Oberhaut entstammt (braun und beige) und einer Bindegewebstasche, die die Wurzelscheide umschließt und der Lederhaut entstammt (grün). Diese äußere Schicht bildet die Papille, die von unten in die Wurzelscheide hineinreicht und diese an die Blutversorgung anschließt. Der Haarschaft ist über die Haarwurzel in der Haut verankert. Am Ende der Haarwurzel bildet der Follikel eine knollenartige Verdickung, die Haarzwiebel, die die Bildungszone (Matrix) des Haares enthält. Die keratinreichen Zellen der Matrix werden nach oben geschoben und bilden dabei den Haarschaft, der im Haarbalgtrichter (Infundibulum) aus der der Haut austritt. An den Follikel angeschlossen ist eine Talgdrüse, und am unteren Ende des Follikels setzt der Haarbalgmuskel an.
Unter der Haut sitzt die Haarwurzel, die von einer sackartigen Struktur, dem Haarfollikel oder Haarbalg, umfasst wird: Durch Einfaltungen der Oberhaut entstehen schlauchartige Vertiefungen, die etwa vier Millimeter in die Lederhaut (Dermis) hinein ragen und von einer binde gewebigen Tasche umgeben sind. Letztere ist Teil der Lederhaut und wird durch die Basalmembran von der Oberhaut getrennt. Die Bindegewebsschicht trägt einen knopfartigen Fortsatz, die Papille, die von unten in die Einstülpung der Oberhaut hineinreicht, diese an die Blutversorgung anschließt und das Haarwachstum steuert. Das Gewebe der Oberhaut, das die Haarwurzel umschließt, wird als Wurzelscheide bezeichnet, und besteht wiederum aus einer inneren und einer äußeren Schicht. Die Zellen der inneren Haarwurzelscheide verhornen und verankern das Haar im Follikel, indem sich ihre Hornschuppen mit den denen des Haares verzahnen. Gleichzeitig ist die äußere Wurzelscheide mit der aufgelagerten Bindegewebstasche verankert. Der Haarfollikel endet in einer knollenartigen Verdickung, der Haarzwiebel, die die Bildungszone des Haares enthält. Diese als Matrix bezeichnete Zone liegt in der Umgebung der Papille und enthält zahlreiche Melanozyten, die ihre Pigmente an das entstehende Haar abgeben. Die keratinreichen Zellen der Matrix (hornbildende Zellen, Keratinozyten) werden innerhalb des Follikels zur Hautober fläche geschoben und bilden dabei den Haarschaft, der im Haarbalgtrichter (Infundibulum) aus der Haut austritt.
An den Follikel angeschlossen ist eine Talgdrüse, die das Haar einfettet. Am unteren Ende des Follikels, an einer Ausbuchtung unterhalb der Talgdrüse, setzt der Haarbalgmuskel (Musculus arrector pili, Haaraufrichtemuskel) an, der aus glatter Muskulatur besteht und der oberflächlichen Schicht der Lederhaut entspringt. Der Haarbalgmuskel dient vor allem der Thermoregulation. Er richtet das Haar bei Kälte auf und drückt gleichzeitig auf die Talgdrüse, die sich dadurch entleert und das Haar einfettet, was die Isolation verbessert. Dadurch entsteht beim Menschen die „Gänsehaut“.
Auf der Kopfhaut sind typischerweise mehrere Follikel in sogenannten Follikeleinheiten vereint. Eine Follikeleinheit besitzt einen Primärfollikel und mehrere Sekundärfollikel, die gemeinsam in einem Haarbalgtrichter sitzen. Jede Einheit besitzt eine gemeinsame Talgdrüse sowie einen Haarbalgmuskel und ist von kollagenhaltigem Bindegewebe umhüllt.
Ein Kreislauf aus Wachstum und Ruhe
Das Haar wächst ausschließlich durch Zellteilung in der Matrixzone, die sich im Bereich der Haarzwiebel befindet. Seine Form ist dabei von der Wurzelscheide vorgegeben, deren innere Schicht früh verhornt und dadurch eine feste Rohrwandung bildet, die das Haar im Wachstum begrenzt. Die in der Matrix gebildeten Zellen werden nach oben abgegeben und verwandeln sich auf ihrem Weg zur Hautoberfläche aus weichen, lebendigen Zellen in harte, vollständig verhornte Zellen, die bei diesem Prozess absterben und so den toten Haarschaft bilden (Abb. 1).
Haare haben einen charakteristischen Wachstumszyklus. Jedes Kopfhaar wächst für fünf bis sieben Jahre (anagene Phase), worauf sich der Follikel in einer circa zweiwöchigen Übergangsphase durch Abbau der Blutgefäße und der Haarzwiebel zurück bildet, und das Haarwachstum stagniert (katagene Phase). Am Ende der im Durchschnitt drei Monate dauernden Ruhephase (telogene Phase) beginnt der gleiche Haarfollikel mit dem Aufbau eines neuen Haares.
Dieses schiebt das „alte“ Haar in Richtung Hautoberfläche, bis es ausfällt. Dieser Zyklus aus Wachstum und Ruhe ist auch ein Grund dafür, warum die Länge der Haare begrenzt ist und diese auf dem Kopf selten länger als einen Meter werden können. Von 100 000 Kopfhaaren befinden sich etwa 85-90% in der Wachstumsphase, 1% in der Übergangsphase und 10% in der Ruhephase. Die Dauer der Wachstumsphase unterscheidet sich bei verschiedenen Haartypen und ist bei Kopfhaaren am längsten. So wachsen Wimpern nur 100-150 Tage und Brauenhaare sogar nur durchschnittlich 70 Tage. Auch die Wachstumsgeschwindigkeit variiert mit beispielsweise 0,44 mm pro Tag bei Scheitelhaaren und gut der Hälfte bei Barthaaren mit einem täglichen Zuwachs von 0,27 mm.
Hornfäden mit Gedächtnis
Nur die Haarfollikel enthalten lebendes Gewebe, während der Haarschaft aus abgestorbenen Hornzellen der Oberhaut gebildet wird und aus mehreren Schichten mit unterschiedlichen Funktionen besteht (Abb. 2).
Abb. 2: Querschnitt durch den Haarschaft. Der Haarschaft besteht von außen nach innen aus der Kutikula (Häutchen), der Rinde (Cortex) und dem Mark (Medulla), wobei die Rindenschicht 80% des Haarschafts ausmacht. Die Kutikula besteht aus mehreren Schichten aus miteinander verklebten Zellen, die dachziegelartig übereinanderliegen und damit wie ein Hornpanzer wirken. In der Rindenschicht liegen dichtgepackte, spindelförmige Hornzellen, die mit Makrofibrillen aus Keratinfasern angefüllt sind. Makrofibrillen setzen sich aus Mikrofibrillen zusammen, die wiederum aus Protofibrillen aufgebaut sind. Letztere bestehen aus den langen Eiweißfäden des Keratins, die über schwefelhaltige Brücken miteinander vernetzt sind. Das nicht bei jedem Haar sichtbare Mark im Zentrum des Haarschafts besteht aus weniger dicht gepackten Zellen.
Die äußerste Schicht, die Kutikula (Häutchen), wirkt wie ein Hornpanzer. Bei dieser Schuppenschicht liegen flache Zellen in sechs bis zehn fest miteinander verklebten Schichten wie Dachziegeln übereinander, was dem Hornfaden die Form und bestimmte optische Eigenschaften wie beispielsweise den Glanz verleiht. Unter der Kutikula liegt die Rindenschicht (Cortex), deren spindelförmige Zellen ungefähr 80% des Haarschaftes ausmachen. Die Spindelform wird durch die Kutikula erzwungen, deren Zellen sehr früh verhornen und sich von außen wie ein Korsett um den wachsenden Haarschaft legen.
Die Rindenzellen sind fest miteinander verbunden, wobei die Zellmembranen wohl als eine Art Klebstoff wirken, und werden durch Keratinfasern versteift, die in Längsrichtung in die Rindenzellen eingelagert sind. Keratine sind Eiweiße mit faserartiger Struktur, das Haaren genauso wie Nägeln ihre Härte verleiht. Ihre Stabilität kommt durch schwefelhaltige Brücken zustande, die einzelne Eiweißstränge miteinander vernetzen. So erklärt ein höherer Gehalt an diesen Schwefelbrücken in der Hornsubstanz die im Vergleich zum Haarschaft größere Härte der Nägel. Die Eiweißfäden des Keratins verwinden sich in den Hornzellen des Haarschafts zu sogenannten Protofibrillen, die sich zu Mikrofibrille zusammen lagern. Aus den Mikrofibrillen werden wiederum Makrofibrillen gebildet, von denen hunderte eine Rindenzelle ausfüllen. Zwischen den Zellen liegen die Pigmentkörner, die dem Haar die Farbe verleihen. In der Mitte des Haarschaftes befindet sich das Mark (Medulla) aus weniger dicht gepackten Zellen, das aber nicht bei allen Haaren sichtbar ist.
Da mit der Nahrung oder über die Haut aufgenommene Mineralstoffe über die Blutversorgung an die Haarwurzel abgegeben und in den Haarschaft eingelagert werden und ein Kopfhaar in der Regel über viele Jahre hinweg wächst, kann man den Haarschaft als eine Art Archiv betrachten, an dessen Elementzusammensetzung viel über den Gesundheits- und Ernährungszustand eines Menschen abzulesen ist. So kann eine gravierende Mangelernährung und Drogenmissbrauch aufgedeckt werden oder können Spuren von Blei, Cadmium und Quecksilber auf Vergiftungen hindeuten. Bei einem zwanzig Zentimeter langen Haar lassen sich auf diese Weise Substanzen nachweisen, die ein Mensch im Zeitraum der letzten zwei Jahre aufgenommen hat. Zudem lässt sich aus den lebenden Zellen der Haarwurzel Erbsubstanz gewinnen, anhand der sich ein genetischer Fingerabdruck erstellen lässt. Damit sind Haare inzwischen nicht nur in der medizinischen Diagnostik, sondern mehr und mehr auch in der Gerichtsmedizin als Beweismittel im Einsatz.
Quellen und weiterführende Literatur
C. E. Orfanos, 1979, Haar und Haarkrankheiten, Gustav Fischer Verlag
Letzte Aktualisierung: 22.09.2016