Folliculitis decalvans

Die Folliculitis decalvans ist eine seltene, schmerzhafte und oft extrem belastende Erkrankung der Kopfhaut, bei der eine chronische Entzündung die Haarwurzeln (= Haarfollikel) zerstört. Infolgedessen kommt es zu irreversiblem Haarausfall und die Kopfhaut der betroffenen Bereiche vernarbt.
Ein Fachbeitrag von
Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Allergologie
Folliculitis decalvans

Zusammenfassung

Die Folliculitis decalvans ist eine seltene, schmerzhafte und oft extrem belastende Erkrankung der Kopfhaut, bei der eine chronische Entzündung die Haarwurzeln (= Haarfollikel) zerstört. Infolgedessen kommt es zu irreversiblem Haarausfall und die Kopfhaut der betroffenen Bereiche vernarbt. Die Therapie der Folliculitis decalvans ist langwierig und Rückfälle sind häufig. Besonders erfolgversprechend ist eine Kombinationstherapie aus systemischen Antibiotika und intraläsional verabreichten entzündungshemmenden Kortikosteroiden.

Auf einen Blick

+ Auftreten überwiegend junge Erwachsene beider Geschlechter

+ Symptome Entzündung der Haarfollikel mit irreversiblem Haarverlust und Narbenbildung, Pusteln, Schmerzen und häufig starke psychische Belastung der Betroffenen

+ Einflussfaktoren Infektion der Haarfollikel mit Staphylococcus aureus

+ Therapieoptionen systemische Antibiotika in Kombination mit topischen oder intraläsional verabreichten entzündungshemmenden Kortikosteroiden

+ Ansteckungsgefahr keine

Abbildung 1: Klinisches Bild der Folliculitis decalvans. Im zentralen Kopfhautbereich befinden sich Bereiche ohne Haare; auch die ursprünglichen Follikelöffnungen sind verschwunden. Im Randbereich der betroffenen Hautbereiche zeigen sich unscharf begrenzte Rötungen (Erytheme) sowie im Bereich der Haarwurzeln Pusteln und Schuppenkrusten.

Einführung

Die Folliculitis decalvans ist eine Form des Haarausfalls (Alopezie), die zu der Gruppe der vernarbenden Alopezien gehört. Hierbei handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die zu einer irreversiblen Zerstörung der Haarfollikel der Kopfhaut führen. Die sehr seltene Erkrankung tritt vor allem bei jungen Erwachsenen auf, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. Für die Betroffenen ist sie durch Schmerzen und den dauerhaften Haarverlust oft sehr belastend. Ursächlich für die Zerstörung der Haarwurzeln (Haarfollikel) ist eine chronische Entzündung, die vermutlich die Reaktion auf eine bakterielle Infektion der Haarfollikel darstellt. Die Behandlung gestaltet sich mehrheitlich schwierig und unbefriedigend.

Ursachen und Auslöser

Obwohl die Folliculitis decalvans bereits 1888 das erste Mal beschrieben wurde, gibt es noch immer keine abschließende Erklärung der Ursache. Eine wesentliche Rolle im Krankheitsgeschehen spielen Bakterien aus der Gruppe der Staphylokokken, insbesondere der opportunistische Erreger Staphylococcus aureus. Letzterer gehört bei manchen Menschen zur normalen Hautflora und verursacht dort keine Beschwerden; er kann aber unter bestimmten Bedingungen – etwa bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder unter Wachstumsbedingungen, die seine Vermehrung begünstigen – Infektionen mit teils schweren Krankheitsbildern auslösen. Bei Patienten mit Folliculitis decalvans scheinen Bakterien, die in den Haarfollikel eindringen, eine übermäßige Immunantwort zu provozieren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bei den Betroffenen zusätzlich eine Fehlregulation des Immunsystems vorliegt. Möglicherweise fördern die Staphylokokken die überschießende Immunantwort durch die Produktion von sogenannten Superantigenen, die auf unspezifische Weise bestimmte Abwehrzellen sehr stark aktivieren können. Diese Abwehrzellen, die T-Lymphozyten, richten ihre zerstörerische Aktivität dann nicht nur gegen die Bakterien selbst, sondern auch gegen die Haarfollikel, in denen diese sich vermehren. An der Entzündungsantwort sind typischerweise außerdem Granulozyten beteiligt – Zellen des angeborenen Immunsystems, die auf unspezifische Weise unterschiedliche Krankheitserreger bekämpfen wie Bakterien, Pilze oder Parasiten.

Symptome und Krankheitsverlauf

Die Folliculitis decalvans äußert sich durch eine ausgeprägte und schmerzhafte Entzündung der Haarfollikel der Kopfhaut. Neben einer entzündungsbedingten Rötung der Kopfhaut um die Haaraustrittsöffnung und weiterer Entzündungssymptome wie Jucken und Brennen können im Randbereich der betroffenen Hautareale Pusteln auftreten, die vor allem für schwere Krankheitsbilder typisch sind und beim Abheilen störende Krusten bilden (Abbildung 1). Durch die chronische Entzündung werden die Haarfollikel, die den lebendigen Teil des Haares darstellen, mit der Zeit vollständig zerstört. Dadurch fällt das Haar aus und kann anders als bei häufigeren Formen des Haarausfalls wie der androgenetischen Alopezie oder dem kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) nicht wieder nachwachsen. Stattdessen wird die Haaraustrittsöffnung mit Bindegewebe gefüllt – es bildet sich eine Narbe.

Charakteristisch für die Folliculitis decalvans ist außerdem das Auftreten von sogenannten Büschel- oder Pinselhaaren, bei denen mehrere Haare (oft 5-6) aus einer Hautöffnung auswachsen. Büschelhaare entstehen vor allem an den Rändern der vernarbten Stellen und dienen dort als Eintrittspforten für Staphylokokken. Dabei wirken sie wie ein Docht, der – beispielweise beim Haarewaschen – bakterienhaltige Flüssigkeit von der Kopfhautoberfläche in die Tiefe der Haarfollikel zieht. Auf diese Weise fördern Büschelhaare nach erfolgreicher Behandlung das erneute Auftreten der Entzündung und somit einen Krankheitsrückfall.

Diagnose und Differentialdiagnosen

Die Folliculitis decalvans kann in der Regel klar erkannt und gut von anderen Formen des Haarausfalls abgegrenzt werden. In der Frühphase kann die Diagnosestellung jedoch schwierig sein. Nach durchgeführter Anamnese dient ein Abstrich der Kopfhaut dazu, S. aureus als Erreger zu identifizieren. Auch aus den Pusteln kann das Bakterium in der Regel isoliert werden. Im Zweifelsfall unterstützt eine Biopsie im noch haartragenden Randbereich des betroffenen Hautareals die Diagnosestellung und ermöglicht die Abgrenzung von anderen Formen des Haarausfalls.

Therapie und Behandlung

Die Behandlung der Folliculitis decalvans ist schwierig und langwierig. Der erste Schritt muss immer die Bekämpfung der Staphylokokken sein. Um die Bakterienlast zu senken, wird deshalb eine ein- bis zweimal tägliche Kopfwäsche mit keimvermindernden Shampoos empfohlen. Hinzu kommt eine Kombination aus antibiotischer und antientzündlicher Therapie. Topische Therapien sind allerdings meist nicht erfolgreich, weil die Staphylokokken in den bis zu ein Zentimeter tiefen Haarfollikeln für lokal aufgetragene Wirkstoffe schwer erreichbar sind. Wirksamer ist eine systemische Antibiotikatherapie, beispielsweise mit Tetrazyklinen wie Doxycyclin.

Systemische Antibiotikatherapie

Als besonders effektiv – auch bei schwereren Fällen – hat sich die Kombination aus Rifampicin und Clindamycin erwiesen. Rifampicin gehört zu der Gruppe der makrozyklischen Antibiotika, die die DNA-abhängige RNS-Polymerase hemmen. Ein Vorteil des Wirkstoffs ist, dass er neben seiner antibiotischen Wirkung auch die Funktion des Immunsystems modulieren kann. Insbesondere scheint Rifampicin die Aktivität der T-Lymphozyten zu dämpfen, die für die Zerstörung der Haarfollikel verantwortlich sind. Allerdings ist das Risiko einer Resistenzbildung beim alleinigen Einsatz von Rifampicin sehr hoch. Aus diesem Grund empfiehlt sich die Kombination mit Clindamycin, das die Proteinbiosynthese hemmt und somit einen anderen Wirkmechanismus aufweist als Rifampicin. Clindamycin darf jedoch in der Schwangerschaft nicht angewendet werden. In der Regel erfolgt die Behandlung mit der Antibiotikakombination für 6-12 Wochen. Treten starke Nebenwirkungen auf oder werden die Wirkstoffe selbst nicht vertragen, kann Azithromycin als Alternative in Frage kommen.

Begleitende oder alternative Therapien

Begleitend zur Antibiotikatherapie kann eine antientzündliche Therapie erfolgen. Die Verwendung von entzündungshemmenden Kortikosteroiden kann topisch erfolgen. Es ist aber auch möglich, den Wirkstoff direkt in die betroffenen Haarfollikel zu injizieren. Gelegentlich wird auch der Einsatz von Dapson empfohlen, einem Wirkstoff, der bei verschiedenen entzündlichen Hautkrankheiten zum Einsatz kommt und der gleichzeitig antibiotisch und antientzündlich wirkt.

Ein verbreitetes Problem bei der Behandlung der Folliculitis decalvans ist die hohe Rückfallrate. So treten bei rund der Hälfte der mit Rifampicin/Clindamycin behandelten Patienten nach Beendigung der Behandlung erneut Krankheitssymptome auf. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die Büschelhaare, die eine Reinfektion mit Staphylokokken aus anderen Hautbereichen, beispielsweise der Nase, ermöglichen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, Büschelhaare operativ aus der Kopfhaut zu entfernen.

Da bei vielen Betroffenen die gängigen Behandlungsmethoden nur schlecht oder überhaupt nicht ansprechen, sind Mediziner immer auf der Suche nach neuen Behandlungsoptionen. Eine davon könnte die Gabe von oralen Januskinasen-Hemmern sein. Januskinasen (JAK) sind Bestandteil von entzündungsfördernden Signalwegen in Immunzellen; sie werden deshalb auch für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Zur Behandlung der Folliculitis decalvans wurde beispielsweise der JAK-Hemmer Tofacitinib bereits erfolgreich eingesetzt (zum Journal Beitrag).

Prävention und Vorbeugung

Da die Folliculitis decalvans hauptsächlich von intrinsischen Faktoren – darunter die Besiedlung der Haut mit S. aureus sowie eine genetische Vorbelastung für ein überreaktives Immunsystem – bestimmt wird, ist eine Prävention nicht möglich. Ist die Krankheit ausgebrochen, lassen sich Rückfälle reduzieren, indem bestehende Büschelhaare als Eintrittspforte der Erreger in die Haarfollikel konsequent entfernt werden.

Quellen und weiterführende Literatur

H. Wolff, T. W. Fischer, U. Blume-Peytavi (2016). Diagnostik und Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen. Deutsches Ärzteblatt 113, 377-386.
L. Asfour et al. (2022). Successful treatment of folliculitis decalvans with baricitinib: A case series. Australas. J. Dermatol. 63, 279-281.
M. Stockmeier et al. (2001). Folliculitis decalvans – Behandlung mit einer systemischen Rifampicin-Clindamycin-Kombinationstherapie bei 17 Patienten. Akt. Dermatol. 27, 361-363.
S. Vañó-Galván et al. (2015). Folliculitis decalvans: a multicentre review of 82 patients. JEADV 29, 1750-1757


Letzte Aktualisierung: 7. Juni 2023

Der kostenfreie derma.plus Newsletter

Erhalten Sie nützliche Ratgeberinhalte zu dermatologischen Themen & Therapien – von unseren Experten verständlich für Sie aufbereitet!

© derma.plus. Alle Rechte vorbehalten.