Omalizumab bei Kälteurtikaria
Wenn Antihistaminika nicht ausreichen: Omalizumab hilft bei Kälteurtikaria
Ein Beitrag von Frau Dr. rer. nat. Larissa Tetsch
Manche Menschen reagieren auf Kälte mit einer allergieartigen Hautreaktion, die im schlimmsten Fall zum anaphylaktischen Schock führen kann. Die Behandlung dieser Kälteurtikaria ist schwierig, und die Patienten sind in ihrem Alltag oft stark eingeschränkt. Neue Hoffnung bietet nun das Biologikum Omalizumab.
Die Nesselsucht (Urtikaria) ist eine recht häufige krankhafte Reaktion der Haut, die spontan auftreten oder durch verschiedene Reize ausgelöst werden kann. Typische Symptome sind die einer allergischen Reaktion mit Rötungen, Quaddeln, Schwellungen und starkem Juckreiz. Die akute Urtikaria (Symptome bestehen bis zu 6 Wochen) ist von der chronischen Urtikaria abzugrenzen, bei der die Symptome länger als 6 Wochen bestehen bleiben. Während bei einer akuten Urtikaria, die schätzungsweise bei bis zu jedem vierten Menschen mindestens einmal im Leben auftritt, die Symptome sehr häufig innerhalb weniger Tage wieder abklingen, ist die Prognose bei einer chronischen Urtikaria nicht so gut. Diese Urtikaria kann über Jahre bestehen bleiben. Zu den typischen bekannten Auslösern gehören Nahrungsmittel und Medikamente. Daneben gibt es die große Gruppe der sog. physikalischen Urtikariaformen. Hier sind die Auslöser für die Haut- und Schleimhautveränderungen physikalische Faktoren wie Druck, Vibration, Kälte, Hitze oder Licht. Da bei einer solchen physikalischen Urtikaria keine Allergene beteiligt sind, spricht man hier von einer Pseudoallergie. Wie bei einer echten Allergie führt der physikalische Reiz zur Ausschüttung von Histamin, einem Botenstoff, der für die typischen Allergiesymptome verantwortlich ist.
Antihistaminika sind oft unwirksam
Eine Nesselsucht ist nicht nur unangenehm, sondern kann wie jede allergische Reaktion auch sehr gefährlich sein. Dies gilt vor allem für die Kälteurtikaria, umgangssprachlich auch als Kälteallergie bezeichnet, auf die etwa ein Drittel aller Fälle von physikalischer Urtikaria entfällt. Innerhalb von einigen Minuten nach einem Kältereiz tritt bei den Betroffenen ein charakteristischer Ausschlag an der betroffenen Haut oder Schleimhaut auf, bei etwa Dreiviertel der Patienten kommen systemische Reaktionen hinzu. In besonders schweren Fällen können Gewebeschwellungen im Bereich der Atemwege Atemnot hervorrufen oder ein anaphylaktischer Schock zum Kreislaufversagen führen. Da Kältereize im Alltag sehr schwer vermieden werden können, ist es entscheidend, die Symptome schnell und effektiv zu behandeln. Dies erfolgt heute meisten mit nicht-sedierenden Antihistaminika, wie sie auch gegen Heuschnupfen zum Einsatz kommen. Diese Wirkstoffe blockieren die Histaminrezeptoren und unterdrücken damit die Wirkung des Botenstoffs. Allerdings sprechen nicht alle Patienten ausreichend auf diese Behandlung an.
Omalizumab macht IgE unschädlich
Früher in das Krankheitsgeschehen greifen Wirkstoffe wie das Biologikum Omalizumab ein, die Immunglobulin E (IgE) unschädlich machen. Die Beteiligung von IgE ist typisch für allergische Erkrankungen, denn IgE ist an der Erkennung von Allergenen beteiligt und vermittelt die anschließende Histaminausschüttung durch Mastzellen. Auch wenn es noch nicht bewiesen ist, scheint es doch sehr wahrscheinlich, dass IgE auch bei der Kälteurtikaria eine entscheidende Rolle spielt. Zur Behandlung von chronischen Formen der Nesselsucht wird Omalizumab bereits erfolgreich eingesetzt. Seine Wirksamkeit bei Kälteurtikaria wurde jetzt in einer randomisierten, doppel-blinden, Placebo-kontrollierten, klinischen Studie der Phase 2 an den Universitätskliniken in Berlin, Mainz und Aachen untersucht. Daran nahmen 31 Patienten teil, bei denen die Kälteurtikaria nicht ausreichend auf die Behandlung mit Antihistaminika ansprach. Jeder Patient erhielt drei subkutane Injektionen mit entweder Placebo oder 150 mg beziehungsweise 300 mg Omalizumab im Abstand von jeweils vier Wochen. Zur Kontrolle der Behandlung wurde bei den Patienten in regelmäßigen Abständen überprüft, ab welcher Temperatur allergische Symptome auftraten (kritische Temperaturschwelle CTT).
Omalizumab wirkt schnell und unabhängig von Krankheitsschwere
Zehn Wochen nach Behandlungsbeginn war die kritische Temperaturschwelle bei den Patienten beider Wirkstoffgruppen durchschnittlich um rund 10°C, von etwa 20°C auf 10°C, gesunken, während sich in der Placebogruppe keine Veränderung ergeben hatte (Abbildung 1). Dabei profitierten die Patienten von der Behandlung mit Omalizumab unabhängig davon, bei welcher Temperatur sie vor der Behandlung Symptome gezeigt hatten. Die Schwere der Krankheit hatte also keinen Einfluss auf den Behandlungserfolg. Erste Erfolge zeigte die Behandlung bereits nach der zweiten Injektion. Nach Beendigung der Behandlung ging der Effekt jedoch schnell verloren.
Die Wirkstoffdosis hatte keinen signifikanten Einfluss: So waren 40% der Patienten in der 150 mg-Gruppe und 44% in der 300 mg-Gruppe während der Behandlung beschwerdefrei. Dagegen sprachen lediglich 10% bzw. 22% der Patienten in den Wirkstoffgruppen gar nicht auf die Behandlung an, während dies in der Placebogruppe 75% waren (Abbildung 2). Ähnliche Werte wurden in den Studien zur Behandlung der chronischen spontan auftretenden Urtikaria erreicht.
In allen Gruppen traten etwa gleich viele Nebenwirkungen auf, von denen keine schwerwiegend waren.
Weiterer Einsatz von Omalizumab denkbar
Die Wirksamkeit von Omalizumab unterstreicht die Wahrscheinlichkeit, dass IgE wesentlich an der Entstehung der Kälteurtikaria beteiligt ist. Möglicherweise erkennt das IgE ein Protein der Haut, das nur bei Kälte angreifbar wird. In Zukunft müssen größere Studien durchgeführt werden, um die optimale Dosis für die Behandlung zu bestimmen. Ebenfalls sollte untersucht werden, ob Patienten mit anderen Formen der physikalischen Urtikaria in gleicher Weise von der Behandlung mit Omalizumab profitieren können.