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Trügerische Sicherheit – wenn der Lichtschutzfaktor nicht hält, was er verspricht

Die Verwendung von Sonnenschutzprodukten im Sinne der Prävention von durch UV-Strahlung ausgelösten Hauterkrankungen hat in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise deutlich zugenommen. Viele Menschen tragen aber zu wenig von den Produkten auf, wodurch ihre Schutzwirkung reduziert wird. Eine kleine Veränderung des Testsystems zur Bestimmung des Lichtschutzfaktors könnte dieses Problem lösen.
Ein Fachbeitrag von
Freie Redakteurin und Wissenschaftsautorin
Trügerische Sicherheit – der Lichtschutzfaktor hält nicht immer, was er verspricht

Dass zu viel Sonnenlicht schädlich für die Haut ist und insbesondere das Risiko für die Entstehung von Hautkrebs stark ansteigen lässt, ist inzwischen allgemein bekannt. Verantwortlich dafür ist die sehr energiereiche ultraviolette (UV-)Strahlung, die das Erbgut der Hautzellen schädigen kann. Schätzungsweise 50 Prozent der sogenannten Lebenszeitdosis an UV-Strahlung werden bereits in der Kindheit aufgenommen, weshalb der Schutz der ohnehin dünneren und empfindlicheren Kinderhaut besondere Beachtung verdient. Weiterführende Informationen im Beitrag Sonnenschutz für die empfindliche Kinderhaut.

Tatsächlich zeigen Umfragen, dass Eltern sich dieser Verantwortung zunehmend bewusst werden und die empfohlenen Verhaltensregeln im Umgang mit Sonnenlicht einhalten [1]. Dazu gehört es, die direkte Sonneneinstrahlung vor allem in den Mittagsstunden zu meiden, die Haut durch Kleidung zu schützen und Sonnenschutzprodukte zu nutzen. Allerdings hat auch die Belastung mit UV-Strahlung im Kindesalter zugenommen, da immer mehr Familien in den Ferien in den sonnigen Süden reisen.

Sonnenschutzprodukte müssen richtig angewendet werden

Auch viele Erwachsene nutzen inzwischen Sonnenschutzprodukte und zunehmend solche mit hohem Lichtschutzfaktor (LSF, siehe nachfolgend „Was besagt der Lichtschutzfaktor“). Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass diese Produkte ein falsches Gefühl von Sicherheit erzeugen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein bekanntes Problem ist, dass sich der LSF nur auf den Schutz vor UVB-Strahlung bezieht, die besonders relevant für die Entstehung von Hautkrebs ist (Abbildung 1). Doch auch die UVA-Strahlung, die in tieferen Hautschichten die Hautalterung beschleunigt, kann Erbgutschäden und damit Hautkrebs verursachen. Diesem Umstand tragen inzwischen viele Sonnenschutzprodukte Rechnung, indem sie einen UVA-Schutz integrieren, der auch auf der Verpackung ausgewiesen ist.

Was besagt der Lichtschutzfaktor?

Der Lichtschutzfaktor (LSF) ist das weltweit wichtigste Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit von Sonnenschutzmitteln und gibt an, wie stark das Produkt die Haut vor einem Sonnenbrand schützt. Ein hoher Lichtschutzfaktor bedeutet dabei eine hohe Schutzwirkung. Der Lichtschutzfaktor wird experimentell ermittelt und errechnet sich aus der Minimaldosis an Strahlung, die zu einer Hautrötung (Erythem) führt, bei geschützter im Vergleich zu ungeschützter Haut. Im Prinzip gibt der Wert also an, wieviel länger man sich mit einem Sonnenschutzmittel der UV-Strahlung aussetzen kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Allerdings muss man zur Berechnung die genaue Eigenschutzzeit des eigenen Hauttyps kennen, die vor allem hellhäutige Menschen oft überschätzen, und die zudem von der Intensität der herrschenden UV-Strahlung abhängt (angegeben im UV-Index). Der Lichtschutzfaktor bezieht sich definitionsgemäß nur auf den Sonnenbrand auslösenden UVB-Anteil der Strahlung. Ein gutes Sonnenschutzmittel sollte jedoch gleichzeitig einen Schutz vor UVA-Strahlung enthalten, der mindestens einem Drittel des jeweiligen Lichtschutzfaktors entspricht.

Abb. 1: Wirkung von UVB-Strahlung. Die im Sonnenlicht enthaltene energiereiche UVB-Strahlung trifft auf Zellen der Oberhaut (Epidermis). Dort kann sie Schäden im Erbgut verursachen, die dazu führen, dass die entsprechenden Zellen entarten. Diese teilen sich infolgedessen unkontrolliert – es entsteht Hautkrebs.

Ein weiteres Problem ist dagegen bis jetzt nur unzureichend gelöst: Der angegebene LSF wird nur erreicht, wenn das Produkt richtig und vor allem in der richtigen Menge angewendet wird (siehe nachfolgend „Mögliche Fehlerquellen bei der Anwendung von Sonnenschutzprodukten). Da der LSF durch ein standardisiertes Verfahren mit einer Auftragsmenge von zwei Milligramm Produkt pro Quadratzentimeter Oberfläche bestimmt wird, muss diese Menge auch auf die Haut aufgetragen werden, wenn die versprochene Schutzwirkung tatsächlich erzielt werden soll. Studien zeigen aber, dass dies in der Realität nur selten geschieht [2, 3]

Mögliche Fehlerquellen bei der Anwendung von Sonnenschutzprodukten

    • Zu niedriger LSF: Für Erwachsene wird im Sommer auch in unseren Breiten ein LSF von 30 empfohlen, bei Kindern ein LSF von 50.
    • Zu seltenes Nachcremen: Alle 2-3 Stunden sollte nachgecremt werden, ebenso nach dem Baden
    • Zu wenig Produkt aufgetragen: Um den angegebenen LSF zu erreichen, muss eine Menge von 2 mg/cm2 aufgetragen werden. Für den Körper eines Erwachsenen bedeutet das eine Menge von 3-4 Esslöffeln Sonnencreme.

Die erforderliche Menge wird meist deutlich unterschritten

Eine gängige Empfehlung lautet, dass ein erwachsener Mensch für das Eincremen des gesamten Körpers drei bis vier Esslöffel Sonnencreme verwenden muss, wenn ein ausreichender Schutz erzielt werden soll. Bezieht man das empfohlene Nachcremen alle zwei bis drei Stunden ein, kommt man rechnerisch auf etwa drei Flaschen Sonnencreme à 200 ml pro Person für eine Woche Sommerurlaub. In der Realität wird diese Menge aber kaum je eingehalten. In einer Untersuchung an dänischen Strandbesuchern wurde vor 25 Jahren eine durchschnittliche Menge an aufgetragener Sonnencreme von nur 0,5 mg/cm2 ermittelt [2] – ein Wert, der nur einem Viertel der empfohlenen Menge entspricht und der in einer Studie aus dem Jahr 2018 nahezu bestätigt wurde [3]: 31 Probanden, die sich nach Belieben eincremen konnten, hatten durchschnittlich eine Menge von lediglich 0,6 mg/cm2 verwendet, wobei diese darüber hinaus auch noch über den Körper sehr ungleichmäßig verteilt war. Die Menge an aufgetragener Creme konnte unter Schwarzlicht sehr genau quantifiziert werden, denn Sonnencreme absorbiert Schwarzlicht, so dass eingecremte Stellen auf Fotos dunkler wirken als die Haut.

LSF sinkt exponentiell mit aufgetragener Menge

Wenn der LSF linear mit der aufgetragenen Menge an Sonnencreme sinkt, würde ein LSF von 16 bei Verwendung von nur einem Viertel der empfohlenen Menge – also 0,5 mg Creme pro cm2 – auf einen Schutzfaktor von 4 sinken. In der Realität ist der Effekt allerdings noch gravierender, denn zwischen LSF und aufgetragener Menge besteht ein exponentieller Zusammenhang [4]. Rechnerisch ergibt sich daraus, dass eine Sonnencreme, die in einer Menge von 0,5 mg/cm2 aufgetragen wird, keinen höheren LSF als 3 aufweisen kann, selbst wenn der ausgewiesene LSF bei 81 liegen würde. Ein LSF von 16 sinkt dann statt auf 4 sogar auf 2 – das heißt, ein solches Produkte kann die Zeit, die man damit vor einem Sonnenbrand geschützt ist, nur noch verdoppeln. Zudem hat auch die Art des Produkts einen Einfluss darauf, wie viel aufgetragen wurde [5]: Je kompakter eine Sonnenschutzformulierung ist – z. B. ein Kompaktpuder im Vergleich zu einem Gel – desto eher neigt der Verbraucher dazu, die aufgetragene Menge zu überschätzen und dementsprechend weniger aufzutragen (Abbildung 2, Journalbeitrag „Trügerische Sicherheit – wenn Sonnenschutzprodukte falsch angewendet werden“).

Abb. 2: Verminderte Schutzwirkung in Abhängigkeit von der Art des Sonnenschutzproduktes. Die reale Schutzwirkung eines Sonnenschutzproduktes hängt vor allem von der tatsächlich aufgetragenen Produktmenge ab. Letztere ist stark abhängig von der Darreichungsform des Sonnenschutzmittels. Je kompakter ein Produkt ist, desto stärker wird die aufgetragene Menge überschätzt und umso mehr weicht der tatsächlich erreichte vom berechneten Lichtschutzfaktor nach unten ab.

Ein Vorschlag: Creme zweimal auftragen

In der Studie zur aufgetragenen Menge von Sonnenschutzcreme [3] beobachteten die durchführenden Dermatologen nicht nur, dass insgesamt deutlich zu wenig Creme aufgetragen wurde. Sie stellten auch fest, dass durchschnittlich ein Fünftel der erreichbaren Körperoberfläche überhaupt keine Creme abbekommen hatte. Ließe sich dies verbessern, indem die Probanden das Sonnenschutzprodukt zweimal hintereinander auftragen? Tatsächlich sank dadurch der Anteil an nicht eingecremter Haut von 20 auf 9 % und insgesamt wurde eine Menge von immerhin 1,1 mg/cm2 aufgetragen. Rechnete man den nicht eingecremten Hautanteil heraus, stieg der Wert noch einmal auf 1,37 mg/cm2. Die Studienautoren schlugen deshalb vor, eine generelle Empfehlung auszusprechen, Sonnencreme zweimal hintereinander anzuwenden und dies auch auf die Verpackung aufzudrucken.

„Sonnencreme zweimal hintereinander aufzutragen erhöht den Schutz.“

Ein alter neuer Vorschlag

Allerdings gibt es Empfehlungen zur richtigen Dosierung von Sonnenschutzprodukten schon lange, ohne dass sich die Gewohnheiten der Menschen in dieser Hinsicht deutlich verändert haben. Ein Grund ist sicherlich, dass die empfohlene Menge an Sonnencreme unpraktisch hoch erscheint. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht eine bessere Methode gibt, um zu verhindern, dass die Schutzwirkung von Sonnenschutzprodukten durch die Anwender überschätzt wird. Einen Vorschlag haben Wulf et al. bereits 1997 gemacht [2]: Statt die Menschen dazu zu bringen, ihre Gewohnheiten an das Testsystem für den LSF anzupassen, solle man lieber das Testsystem an die Gewohnheiten der Menschen anpassen. Konkret würde das bedeuten, den LSF künftig mit einer aufgetragenen Menge von nur 0,5 mg/cm2 zu ermitteln. Dadurch würden die ausgewiesenen Lichtschutzfaktoren generell sinken, diese ließen sich dann aber in der praktischen Anwendung auch tatsächlich erreichen. Die technische Umstellung sollte relativ einfach und schnell erfolgen können und dabei helfen, dass keine unnatürlich hohen Lichtschutzfaktoren die Verbraucher in trügerischer Sicherheit wiegen.

„Eine Anpassung der Methode zur Bestimmung des LSF könnte verhindern, dass die Schutzwirkung der Produkte überschätzt wird.“


Quellen und weiterführende Literatur

[1] M. A. Karlsson et al. (2011). Parental sun-protective regimens and prevalence of common melanocytic naevi among 7-year-old children in Sweden: changes over a 5-year period. Br J Dermatol 164, 830-837.
[2] H. C. Wulf et al. (1997). Sunscreens used at the beach do not protect against erythema: a new definition of SPF is proposed. Photodermatol Photoimmunol Photomed 13, 129-132.
[3] I. M. Heerfordt et al. (2018). Sunscreen use optimized by two consecutive applications. PLoS One 13, e0193916.
[4] A. Faurschou, H. C. Wulf (2007). The relation between sun protection factor and amount of sun-screen applied in vivo. Br J Dermatol 156, 716-719.
[5] L. Portilho et al. (2020). Real protection of facial sunscreens. Br. J. Dermatol. 182, 1050-1052.

Letzte Aktualisierung: 31. Juli 2023
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