Maßgeschneiderte Therapie der Neurodermitis
Zukünftige Therapie der atopischen Dermatitis: die maßgeschneiderte Behandlung
Ein Beitrag von Frau Dr. rer. nat. Larissa Tetsch
Etwa jeder zehnte Erwachsene in der westlichen Welt leidet an einer atopischen Dermatitis mit extrem trockener, entzündeter Haut und starkem Juckreiz. Je nach Stärke der Entzündung kommen verschiedene entzündungshemmende Wirkstoffe zum Einsatz, die aber nicht allen Patienten gleichermaßen helfen. Ein Arsenal an neuartigen Wirkstoffen soll es jetzt ermöglichen, für jeden Patienten die individuell passende Behandlung zu finden.
Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine häufige entzündliche Hautkrankheit, die bis zu einem Viertel aller Kinder und immerhin 10 Prozent der Erwachsenen in der westlichen Welt betrifft. Typische Symptome sind eine sehr trockene, entzündete Haut und ein starker Juckreiz. Aktuell orientiert sich die Behandlung an der Stärke der Entzündung und besteht vor allem aus einer entzündungshemmenden Therapie mit äußerlich angewendeten Glukokortikosteroiden und Calcineurininhibitoren. In besonders schweren Fällen kann zudem die Aktivität des Immunsystems durch systemische Immunsuppressiva unterdrückt werden bzw. seit kurzem durch den Einsatz des deutlich besser verträglichen Biologikum Dupilumab moduliert werden. Diese Therapien helfen jedoch nicht allen Patienten, u.a. weil es verschiedene Ursachen und Verläufe der Krankheit gibt. Neue Therapieansätze zielen darauf ab, für jeden Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zu finden. Dazu müssen jedoch die molekularen Ursachen der Krankheit aufgeklärt und Marker gefunden werden, die bestimmte Subtypen der Krankheit charakterisieren.
„Löchrige“ Haut und überaktive Immunabwehr
Die Entstehung der Krankheit ist komplex, und noch sind viele Details nicht verstanden. Bei den meisten Patienten liegt eine genetisch bedingte Störung der Hautbarriere vor. Dadurch können Allergene aus Pollen oder Nahrungsmitteln in tiefere Hautschichten eindringen und dort eine Sensibilisierung auslösen. Das ruft die Immunabwehr auf den Plan, und es entstehen Entzündungen, die für die atopische Dermatitis typisch sind. Bei vielen Patienten zeigt das Immunsystem überdies eine erhöhte Bereitschaft, von harmlosen Stoffen aktiviert zu werden (Atopie).
In der akuten Krankheitsphase wird die Entzündung hauptsächlich durch sogenannte T-Helferzellen vom Typ 2 (TH2-Zellen) ausgelöst. Zusätzlich können in dieser Phase auch andere T-Helferzellen wie die TH22- und TH17-Zellen eine Rolle spielen. Jede Gruppe von T-Helferzellen produziert ein charakteristisches Spektrum an Botenstoffen, mit denen wiederum andere Immunzellen oder Hautzellen zur Bildung von entzündungsfördernden Substanzen angeregt werden. In der chronischen Phase spielen zunehmend T-Helferzellen vom Typ 1 eine Rolle, die wiederum ein anderes Spektrum an Botenstoffen herstellen. Diese verschiedenen Prozesse bieten viele Möglichkeiten, therapeutisch ins Krankheitsgeschehen einzugreifen.
Jede Krankheit ist anders
Die Tatsache, dass in der akuten und der chronischen Phase unterschiedliche Immunzellen aktiv sind, lässt sich für eine maßgeschneiderte Behandlung ausnutzen. Klassischerweise wird außerdem zwischen extrinsischer und intrinsischer Krankheitsform unterschieden. Etwa 60-70 Prozent der Patienten leidet unter der extrinsischen – auch als allergisch bezeichneten – Krankheitsform. Hier ist der Antikörper IgE, der typisch für allergische Erkrankungen ist, an der Krankheitsentstehung beteiligt. Nach der Bindung eines Antigens veranlasst IgE sogenannte Mastzellen, den Botenstoff Histamin auszuschütten. Dieser löst dann die typischen Symptome einer Allergie wie Juckreiz, Hautrötung und Gewebeschwellung aus. Die intrinsische Krankheitsform wird dagegen nicht durch IgE vermittelt, so dass die Patienten auch keine Sensibilisierungen gegenüber Umwelt- und Nahrungsallergenen aufweisen. Patienten, die an der intrinsischen Form leiden, werden also im Unterschied zu Patienten, die an der extrinsischen Form erkrankt sind, nicht von Therapien profitieren, die IgE zum Ziel haben. Auch Kinder kann möglicherweise anders geholfen werden als Erwachsenen, denn bei ihnen spielen vermehrt TH17-Zellen eine Rolle sowie T-Helferzellen, die als Botenstoffe die Interleukine 9 und 33 produzieren.
Maßgeschneiderte Therapien
Neuartige Wirkstoffe greifen gezielt einzelne Komponenten der Immunabwehr an. Auch diese Weise lassen sich beispielsweise spezifisch die Entzündungsprozesse beeinflussen, die von TH2-Zellen vermittelt werden. Hierbei können entweder Botenstoffe aus dem Verkehr gezogen, oder die Empfänger der Botenstoffe, die Rezeptoren, abgeschirmt werden, so dass die Botenstoffe keine Wirkung mehr entfalten können. Auch Signalkaskaden, die in einer Zelle angeschaltet werden, sobald ein Botenstoff gebunden hat, können das Ziel eines therapeutischen Angriffs sein. Zunehmend werden auch die TH1-, TH17- und TH22-Zellen in den Fokus genommen. Die Wirkstoffe sind in den meisten Fällen Antikörper, die einen Botenstoff oder einen Rezeptor binden und dadurch unschädlich machen. Einen solchen Wirkstoff, der sich in seiner Struktur an ein biologisches Molekül anlehnt, nennt man Biologikum.
Signale von TH2-Zellen abfangen
Dupilumab ist ein Antikörper, der eine Untereinheit der Rezeptoren für die Botenstoffe Interleukin (IL) 4 und 13 bindet (Abbildung 1). Die Botenstoffe werden vor allem von TH2-Zellen gebildet und aktivieren verschiedene Immunzellen und die Horn bildenden Zellen der Oberhaut (Keratinozyten). In zwei großen klinischen Studien der Phase III, in denen die Patienten über 16 Wochen mit dem Wirkstoff behandelt wurden, zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Schweregrads, ein Reduktion des Juckreizes und eine Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zum Placebo. Dupilumab ist in Europa seit 2017 für die systemische Behandlung von Erwachsenen bei mittelschweren und schweren Fällen der atopischen Dermatitis zugelassen.
Hilfe gegen den Juckreiz
Der Botenstoff Interleukin 31 ist ein wichtiger Auslöser für den Juckreiz, der die Lebensqualität der Patienten mit atopischer Dermatitis besonders stark mindert. Der Botenstoff wird vor allem von TH2-Zellen produziert. Sein Ziel sind Keratinozyten und bestimmte Nervenzellen, die den Juckreiz erzeugen. Nemolizumab bindet den IL31-Rezeptor der Nervenzellen, so dass IL 31 nicht mehr binden und deshalb auch keine Wirkung mehr entfalten kann. In einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie mit 216 Patienten reduzierte die Behandlung mit Nemolizumab den Juckreiz deutlich.
IgE unschädlich machen
Die Antikörper Omalizumab und Ligelizumab binden an den im Blutserum vorhandenen Antikörper IgE, so dass dieser nicht mehr an seine Zielzellen binden kann. Omalizumab ist bereits für die Behandlung von allergischem Asthma und Nesselsucht, zwei Krankheiten, bei denen IgE eine große Rolle spielt, zugelassen. Auch für die Wirksamkeit bei der Behandlung der atopischen Dermatitis gibt es bereits Nachweise, größere klinische Studien fehlen jedoch noch. Auch Ligelizumab befindet sich noch in der Erprobungsphase.
Andere T-Helferzellen im Blick
Der Antikörper Ustekinumab richtet sich gegen die Aktivierung der TH1-, TH17- und Th22-Zellen (Abbildung 2). Dazu blockiert er die Botenstoffe IL 12 und 23. Ustekinumab wird bereits zur Behandlung der Schuppenflechte (Psoriasis) eingesetzt, die ebenfalls zu den entzündlichen Hautkrankheiten gehört. Ob der Antikörper auch Patienten mit atopischer Dermatitis helfen kann, wird zurzeit in Studien untersucht.
Die Signalkette unterbrechen
Nachdem Interleukine an ihren Rezeptor gebunden haben, wird im Inneren der Empfängerzellen eine Signalkaskade ausgelöst. Daran sind häufig sogenannte Janus-Kinasen beteiligt. Auch diese lassen sich hemmen, etwa durch den Wirkstoff Tofacitinib. Damit lässt sich etwa die durch IL 4 vermittelte Signalkaskade – also im Prinzip die TH2-Zell-vermittelte Entzündungsantwort – unterbinden. Tofacitinib wird bereits zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. In einer klinischen Studie der Phase II verbesserte topisch angewendetes Tofacitinib das Krankheitsbild stärker und reduzierte den Juckreiz mehr als ein Placebo.
Produktion von Botenstoffen unterdrücken
Die Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen wird durch das Enzym Phosphodiesterase reguliert. Dieses Enzym ist bei Patienten mit atopischer Dermatitis überaktiv. Durch den topisch angewendeten Wirkstoff Crisaborol lässt sich die Phosphodiesterase hemmen. Er ist in den USA bereits für die Therapie der atopischen Dermatitis zugelassen, in Europa jedoch noch nicht verfügbar. Andere Hemmstoffe der Phosphodiesterase wie das systemisch angewendete Apremilast werden zurzeit noch untersucht.
Basistherapie: Hilfe für alle?
Zurzeit wird bei allen Patienten mit atopischer Dermatitis eine konsequente Basistherapie gefordert. Die tägliche Anwendung einer wirkstofffreien Feuchtigkeitspflege soll die Hautbarriere stärken. Im Rahmen einer maßgeschneiderten Behandlung sollen die Patienten ausgemacht werden, die durch eine Basistherapie besonders profitieren, also solche, bei denen die Hautbarriere auch nachweislich gestört ist. Ob die Basistherapie wirklich vor allem diesen Patienten hilft, muss allerdings noch ermittelt werden.
Die personalisierte Behandlung der atopischen Dermatitis steht noch ganz am Anfang. In den nächsten Jahren werden es die vorgestellten Wirkstoffe aber hoffentlich möglich machen, jeden Patienten in Abhängigkeit seiner speziellen Krankheitsform mit den Wirkstoffen zu behandeln, die bei ihm den größten Aussicht auf Erfolg haben. So sollten etwa Dupilumab und Tofacitinib vor allem Patienten helfen, bei denen TH2-Zellen aktiv sind. Ustekinumab könnte bei Patienten einen Vorteil bringen, bei denen die TH1-, TH17- und TH2-Zellen eine größere Rolle spielen. Vielversprechend ist auch der Ansatz, den Juckreiz als eines der wichtigsten Symptome bei atopischer Dermatitis direkt auszuschalten. Denn Juckreiz fördert Kratzen und dies wiederum schwächt die Hautbarriere – ein Teufelskreis, den eine effektive Therapie durchbrechen muss.